#Horrorctober 10
„Rape is when a man consciously keeps a woman in fear“
Die Live-Regisseurin Leigh Michaels (Lauren Hutton) zieht nach Los Angeles in das Hochhaus „Arkham Tower“, wird dort aber schon bald vom gegenüberliegenden „Blake Tower“ aus von einem Unbekannten beobachtet und zunehmend bedrängt. Die Polizei ist keine Hilfe, nur ihr neuer Freund Paul (David Birney) und ihre Arbeitskollegin Sophie (Adrienne Barbeau) stehen zu ihr.
Nachdem die letzten neun Filme meines #horrorctober ein echtes Highlight leider schmerzlich vermissen ließen, habe ich mit Nummer 10, John Carpenters TV-Film „Someone’s Watching Me!“ jetzt doch noch ein kleines Meisterwerk erwischt. Seinen TV-Charakter merkt man „Someone’s Watching Me!“ nicht sonderlich an. Bis auf die Musik hat der Film alles, was einen Carpenter dieser Zeit auszeichnete: Eine klare Idee, in klaren Bildern und ruhiger Erzählweise vorgetragen, ein großes Interesse an Räumlichkeit und damit verbunden eine klaustrophobische Stimmung sowie das Quäntchen Humor, das in seinen Spannungsfilmen häufig übersehen wird. Der Film wirkt ein wenig wie eine Fingerübung zu „Halloween“, während dessen Vorproduktion Carpenter ihn gedreht hat. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass das Hochhaus – neben Lauren Hutton der zweite Hauptdarsteller des Films – Carpenter dazu inspiriert hat, „Halloween 2“ in einem Hochhaus spielen zu lassen. Der Plan wurde allerdings zugunsten des Krankenhauses, in dem mehr als die Hälfte des Films stattfindet, fallen gelassen.
Was ich an „Someone’s Watching Me!“ gleichwohl bemerkenswert finde, ist zum einen die starke gesellschaftskritische Ausrichtung des Film, der sich ganz offensichtlich mit dem Verhältnis zwischen Frau (in einer Männerwelt) und Mann (und dessen Allmachtsphantasien) auseinandersetzt und zum anderen eine markante Kritik an der zunehmenden Technisierung der Gesellschaft, ich will sogar behaupten, das Thema Überwachung ist hier bereits vorwegnimmt. Anders als manche Kolleginnen und Kollegen sehe ich normalerweise nicht überall Phalli, aber die Hochhäuser stehen so erigiert herum, das ist bestimmt kein Zufall… Und es passt ja auch ganz wunderbar zum Inhalt des Films, der eben nicht nur eine „Rear Window“-Referenz und ein Lehrstück in Sachen Spannungskino ist, nein, er nimmt auch zahlreiche Standards zukünftiger Horrorfilme vorweg und ist eben auch eine starke Metapher für eine frauenfeindliche Gesellschaft. Im Hinblick auf Geschlechterverhältnisse zeigt der Film ein konservatives, aber durchaus realistisches Horrorszenario der total überwachten Frau, ist aber gleichzeitig für das Jahr 1978 auch ein erstaunlich mutiger Film mit einer emanzipierten Protagonistin. Toll gespielt von Lauren Hutton – erst stark, vorgerecktes Kinn, selbstbewusst, lustig, dann zunehmend mit gesenktem Kopf, zurückhaltend, verängstigt. Die Gewalt gegen sie geht aber nicht allein von dem anonymen Stalker aus; Versuche, sie zu kontrollieren kommen von überall: von ihrem Chef, ihrem Macho-Kollegen, den Männern in der Bar. Auch der Grund nach Los Angeles zu ziehen, war ein Mann. Der starke Druck von außen bekommt sie allerdings nicht klein – sie bleibt unangepasst, kämpft, will sich nicht vertreiben lassen.
Es klingt bestimmt durch, ich bin wirklich sehr angetan. „Someone’s Watching Me!“ ist die Sorte Film, die mich glücklich macht: Von zurückhaltender Schönheit, schnörkellos und trotzdem über alle Maßen reichhaltig. Und hier noch ein kleines Loblied auf die sozialen Medien. Da mir der Film mit über 20 Euro selbst für die gebrauchte DVD zu teuer war, und alle Online-Streaming-Dienste, für die ich zahle, ihn nicht im Programm führen, habe ich bei Twitter nachgefragt, zufällig im Besitz des Filmes und verleihbereit wäre. Und tatsächlich fand sich jemand, der mir den Film freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. So schlecht ist die Welt also doch nicht.
Bild © Warner Home Video